Informationen zur eingesetzten Fahrzeugtechnologie.

• Fahrzeugtyp: EasyMile EZ10, 2. Generation
• Leergewicht: 1100 kg
• Länge: 3.9 m
• Breite: 2.0 m
• Höhe: 2.75 m
• Zugelassene Maximalgeschwindigkeit: 20 km/h

Zugelassene Anzahl Passagiere.

• 6 Sitzplätze
• 2 Stehplätze
• 1 Sicherheitsfahrer (stehend)

Sensoren für das autonome Fahren.

• Localisations-LiDARs – vorne und hinten
• 3D LiDARs – vorne und hinten
• Safety LiDARs – vorne und hinten je links und rechts
• GPS
• Beschleunigungsmesser
• Hodometer

Im Fahrzeug waren sowohl Aussenkameras (vorne und hinten) wie auch eine Innenraum-Kamera verbaut. Die Kameras wurden lediglich für die Innenraumüberwachung in Notsituationen verwendet.

Um den Fahrweg definieren zu können, muss die Strecke mit dem Fahrzeug manuell abgefahren werden. Dabei wird die Umgebung über die Localisations-LiDARs aufgezeichnet und eine Karte erstellt. Diese Karte dient als Grundlage für die Verortung über die LiDAR Sensoren. Zusammen mit dem GPS kann dadurch eine zentimetergenaue Verortung erfolgen. Die manuell abgefahrene Strecke wird danach optimiert und ein Fahrweg definiert, damit das Fahrzeug entlang einer virtuellen Schiene fahren kann.

Die Beschleunigungsmesser und Hodometer werden für eine Plausibilitätsprüfung während der Fahrt benötigt, damit das Fahrzeug präzise entlang der virtuellen Schiene fahren kann.

Buchungsprozess.

Eines der Ziele des MyShuttle Projekts war es, ein dynamisches bedarfsorientiertes (On-Demand) Shuttleservice in das bestehende ÖV-Angebot zu integrieren. Dabei mussten folgende Fragestellungen genauer analysiert, erprobt und mit den gewonnenen Erkenntnissen neu gestellt werden:

• Wie kann ein On-Demand Service in die bestehenden Kundeninformationskanäle eingebunden werden?
  
• Wie findet die bidirektionale Kommunikation zwischen Service Anbieter(n), Infrastruktur und Kunden statt?
• Wie kann dem Kunden eine transportmittelübergreifende (multimodale) Reise von A nach B sinnvoll angeboten und auch garantiert werden?

Die Resultate und Erkenntnisse aus diesen Fragen können am besten mit folgender Abbildung erläutert werden.

Aus diesen Fragestellungen resultierte ein Prozess, der aus Kunden- sowie Angebotssicht wünschenswert ist und in den ÖV-IT-Systemen getestet wurde:

1. Der Kunde (1) meldet einen Reisewunsch für eine bestimmte Strecke über eine App (a). Dafür wurde im MyShuttle Projekt zu Testzwecken der sogenannte SBB MetaRouter verwendet. 
   
2. Der MetaRouter App (2) stellt eine kombinierte (multimodale) Reisekette dar (b). Multimodal bedeutet dabei das verschiedene Transportmittel angeboten werden und der Kunde auswählen kann, welche Kombination von Transportmitteln seinen Bedürfnissen entspricht. 
3. Sofern der Kunde ein Reiseangebot mit dem MyShuttle auswählt, wird sein Reisewunsch an das Flottenmanagementsystem des MyShuttles (3) weitergeleitet.
4. Dadurch entsteht eine verbindliche Anfrage und gleichzeitig, eine für den Kunden zugeschnittene neue Angebot. Eine Fahrt mit dem MyShuttle mit Abfahrtsort /-zeit und Ankunftsort /-zeit (d), welches nun über das ÖV-Kundeninformationssystem (4) verteilt werden kann.
5. Das neue Angebot (e) kann über das bestehende ÖV-Kundeninformationssystem auch anderen Kunden (5) angeboten resp. angezeigt werden, sofern die Route bestehende Haltestellen enthält.

MetaRouter App.

Nachfolgend eine Abbildung der MetaRouter Funktionalität, welche für Testzwecke in die SBB Preview App eingebaut wurde.

Fazit.

Mit dem MyShuttle Projekt wurden die Grenzen der bestehenden ÖV-Kundeninformationssysteme ermittelt und auch versucht mit Prototypen mögliche neue Ansätze zu testen. Daraus können folgende Punkte festgehalten werden:

• Die führenden Kundeninformationssysteme sind heute auf eine «einseitige» Kommunikation und ein statisches, linienbasiertes Angebot ausgerichtet. Es ist nur beschränkt möglich ein dynamisches Angebot einzubinden.
  
• Die Systeme sind auf klar vordefinierte Haltestellen ausgerichtet und können nicht ohne weiteres mit dynamischen Routen umgehen. Es ist allerdings möglich neue Routen mit x-beliebigen Haltestellen zu erfassen und diese nach Bedarf zu aktivieren.
• Damit der ÖV-Kunde möglichst einfach transportmittelübergreifende Reisen planen und buchen kann, müssen Standards forciert werden.
• Ein dynamisches On-Demand Angebot ist mit den heute geltenden Personenbeförderungsgesetz und dem damit «garantierten» Service nur beschränkt umsetzbar.

Bediengebiet.

Mit der Strassenzulassung Ende 2018 konnte ab Januar 2019 das Shuttle im Mischverkehr auf öffentlichen Strassen verkehren. So wurde der Betrieb im Jahr 2019 auf den Routen 1-6 im Fliessverkehr u.a. in einer Tempo 50-Zone durchgeführt.

Zusammengefasst resultierte der Betrieb wie folgt:

• Kumulierter km-Stand: 2561 km
• 84% der gefahrenen Kilometer waren automatisiert
• Die 6 Strecken wurden automatisiert befahren (2a wurde manuell befahren bis 2b automatisiert befahren werden konnte)
• Maximale Geschwindigkeit im automatisierten Modus: 16 km/h
• Maximale Geschwindigkeit im manuellen: 10 km/h
• Transportierte Passagiere: 534 Personen

Betriebsprozesse.

Um einen sicheren Betrieb zu ermöglichen, wurden die dazu benötigten Betriebsprozesse eingeführt und umgesetzt.

• Das Shuttle wurde so weit wie möglich in die Abläufe der Betriebszentrale (BZ) der SBB integriert.
• Die Betriebszentrale (BZ) übernahm die Fernüberwachung des sich im Einsatz befindenden Fahrzeuges und unterstützte den operativen Einsatz durch ein 4-Augenprinzip.
• Bei betrieblichen Abweichungen wurde die BZ über die Steuerungssoftware benachrichtigt (z.B. Batteriestände).
• Die BZ befand sich im täglichen Austausch mit den Sicherheitsfahrern.
• Die Sicherheitsfahrer stellten sicher, dass das Fahrzeug im Rahmen des rechtlichen Rahmens der Strassenverkehrsvorschriften bewegt wurde.
• Die BZ überprüfte zu Tagesbeginn jeweils die Betriebsaufnahme und am Abend das Betriebsende.
• Neben der Betriebsaufnahme und dem Betriebsende, wurden besondere Ereignisse und Störungen am Fahrzeug durch die Sicherheitsfahrer aufgenommen und vom Projektteam entsprechende Massnahmen eingeleitet.

Betriebserkenntnisse.

Während dem Betrieb gab es verschiedene Eingriffe:

• Automatische Nothalte sind Nothalte, die das Fahrzeug in Gefahrensituationen durchführt.
• Manuelle Nothalte werden durch den Sicherheitsfahrer in Gefahrensituationen durchgeführt.
• Manuelle Umfahrungen werden vorgenommen, wenn sich ein Hindernis in der Fahrspur des Fahrzeuges befindet. 
• Ein Soft-Stopp ist eine kontinuierliche Verringerung der Fahrgeschwindigkeit bis zum Stillstand, die vom Fahrzeug oder den Sicherheitsfahrern durchgeführt wird.

An schönen Tagen mit trockenem Wetter verliefen die Fahrten in der Regel ohne Probleme. Verkehrsteilnehmende und Witterungsbedingungen sowie Baustellen und Vegetation, die nicht im Mapping aufgezeichnet wurden, beeinflussten den Betrieb:

• Bei schlechtem Wetter, z.B. bei Schnee oder Starkregen, wurde die Leistung des MyShuttle stark beeinträchtigt und es wurden keine Fahrten durchgeführt.
  
• Schnee aber auch Blätter und Pollen veränderten die Wahrnehmung der Sensoren. 
• Statische Hindernisse, die nicht gemappt waren (Baustellen, wachsende Vegetation) führten zu automatischen Stopps und mussten umfahren werden.
• Dynamische Manöver (Slalomfahren von Velos) führten ebenfalls zu automatischen Stopps.

Wie die obere Grafik zeigt, können die Ursachen für Fahreingriffe kategorisiert werden:

• Die wachsende Vegetation im Frühling und Sommer störte die Sensorik, weil das Mapping im Winter stattfand. 
  
• Die Verkehrsteilnehmen stellen die grösste Einflussgruppe dar. Autos und Velos sowie Fussgänger/innen hielten sich nicht immer an die Verkehrsregeln und behinderten damit die Fahrspur des Shuttles.
• Bauarbeiten und Baustellen waren für den Betrieb des Shuttles eine echte Herausforderung. Sie führten zu starken und schnellen strukturellen Veränderungen in der Umgebung und waren zur Zeit des Mappings nicht existent.

Das Projekt zeichnete sich durch einen Forschungscharakter aus.

Zur Analyse des Nutzerverhaltens und für Marktforschungszwecke wurde das Betriebsjahr 2019 in sogenannte Cases eingeteilt:

Der Hauptfokus von Case 1–3 war, neben der Kundenakzeptanz, das Gesamtsystem einem Stresstest zu unterziehen. Dies geschah durch die Erweiterung und Vergrösserung der Kundengruppen sowie durch die Erhöhung der Anzahl Fahrten im stabilen Betrieb. So wurde im Case 3 die Mitfahrt im Shuttle für die Bevölkerung geöffnet. Die beiden Cases 4 und 5 wurden zusammen abgeprüft und werden nachfolgend als Case 4+ bezeichnet.

Kundenakzeptanz.

Die Mitfahrt im Shuttle über die Betriebszeit stiess auf eine positive Resonanz und auch die Akzeptanz der Technologie konnnte bei den Passagieren festgestellt werden.

Um eine Indikation zu erhalten, wie die Passagiere aller Cases die Fahrten empfanden, bewerteten sie ihr Fahrerlebnis nach der Fahrt (siehe nachfolgende Grafik). Die höchsten Bewertungen erhielt der Sicherheitsaspekt (Vertrauen in den Sicherheitsfahrer, Sicherheit des Fahrzeuges).

Das Vertrauen in das Shuttle selbst war im gesamthaften Vergleich dazu etwas geringer. Dies ist auf die technische Maturität des Shuttles zurückzuführen. Positiv hervorzuheben ist der Spassfaktor. Dies ist ein deutliches Zeichen für die Neugier bezüglich der selbstfahrenden Fahrzeugtechnologie und ihren aktuellen Herausforderungen. Dagegen blieb die Geschwindigkeit der am schlechtesten bewertete Aspekt. Grund dafür ist u.a. die Geschwindigkeitsdifferenz von der maximal gefahrenen Shuttlegeschwindigkeit von 16 km/h und den erlaubten 50 km/h, z.B. auf der Industriestrasse (Route 6).

Erneute Shuttlenutzung.

Einvernehmlich gaben die Passagiere an, dass ihnen die Fahrt mit dem Shuttle sehr gut gefiel. Über alle Cases hinweg würden grundsätzlich ca. 85% der Befragten das Shuttle für Alltagssituationen wiederverwenden. Der Case 4+ hatte mit 78% den geringsten Wert, möglicherweise weil hierbei der Fokus auf der App-Nutzung lag und sich dabei einige Herausforderungen ergaben. Im Case 3, bei dem die Bevölkerung zum ersten Mal mit dem Shuttle fahren konnte, würden sogar 92% der Befragten das Shuttle erneut verwenden.

Gemäss unserer Passagier-Umfragen konnten sich die Teilnehmenden aller Cases eine erneute Nutzung als City-Shuttle und als Zu-/Wegbringer zum/vom Bahnhof vorstellen. Hierbei waren Mehrfachnennungen möglich. Lediglich 15% konnten sich aktuell vorstellen nur als Testkunde mit zu fahren. Im Freitextfeld dieser Umfrage konnten zusätzlich zu den abgefragten Kriterien auch noch weitere Nutzungsmöglichkeiten eingegeben werden. Erwähnt wurden dabei unter anderem Kinder zur Schule bringen, ältere Personen von zu Hause abholen, touristische Fahrten, Spassausflüge oder Flughafen-Shuttle.

Kunden-/Pressestimmen.

Hier noch einige persönliche Eindrücke unserer Testkunden.

Vor der Geschwindigkeitserhöhung im Sommer, konnte eine geschlossene Kundengruppe mitfahren. Diese Eindrücke sind im nachfolgenden Video festgehalten.

Als im September im Rahmen der Bevölkerungsfahrten alle mitfahren durften:

• Bericht Tele 1 : radiopilatus.chLink öffnet in neuem Fenster.
  
• Bericht Techgarage : techgarage.blogLink öffnet in neuem Fenster.
  
• Bericht Bote : bote.chLink öffnet in neuem Fenster.