Die SBB nimmt bei der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle ein und unterstützt damit die Transformation der Schweiz zu einer nachhaltigen Gesellschaft und Wirtschaft.
Ein Grossteil der weltweit produzierten industriellen Güter wird aus nicht-erneuerbaren Rohstoffen hergestellt und nach der Nutzung meist rezykliert, deponiert oder verbrannt. Somit wird ein erheblicher Teil an Rohstoffen unwiederbringlich zerstört. Die Kreislaufwirtschaft hingegen nimmt den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild und zielt darauf ab, Produkte ohne schädliche Emissionen zu erzeugen, Produkte so lange wie möglich zu nutzen und die Rohstoffe aus den nicht mehr nutzbaren Produkten wieder zu gewinnen, um sie unendlich viele Male weiter zu verwenden. Darum ist Kreislaufwirtschaft weit mehr als Recycling: Sie ist ein Wirtschaftsmodell, welches den Rohstoffverbrauch senkt sowie die natürlichen Ressourcen schont und deren Regeneration unterstützt.
Die SBB ist eine der grössten Auftraggeberinnen der Schweiz mit jährlichen Beschaffungen in der Höhe von CHF 6 Mrd. und verursacht dadurch wesentliche Material- und Energieverbräuche. Eine durchgeführte Materialflussanalyse unterstreicht die Bedeutung von Kreislaufwirtschaft für die SBB. Die SBB besitzt mit über 77 Mio. Tonnen Material eine der grössten Materialbanken der Schweiz. Der durch die Aktivitäten der SBB entstehende Materialfluss hat erhebliche Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Durch Kreislaufwirtschaft lässt sich ein Grossteil dieses Materialflusses vermeiden und die daraus resultierenden Umweltauswirkungen massiv reduzieren. Daher ist die SBB prädestiniert, eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft zu übernehmen.
Seit 2021 führt die SBB ein Kompetenzzentrum zur Thematik der Kreislaufwirtschaft. Das Kompetenzzentrum Kreislaufwirtschaft (CoC CE) ist eng vernetzt mit synergierelevanten internen Kompetenzzentren aus dem Nachhaltigkeitsumfeld. Das interdisziplinäre Team unterstützt bei der Initiierung und Entwicklung zirkulärer Pilotprojekte und Geschäftsmodelle, baut Knowhow konzernweit auf und ist zuständig für die Entwicklung und Implementierung der entsprechenden Governance Aspekte.
Wie kann der Weg zu einer Kreislaufwirtschaft aussehen?
Mit der Anwendung von Kreislaufwirtschaftsprinzipien kann die SBB Kosten senken, wichtige Ressourcen langfristig sichern und die Nachhaltigkeitsleistung des Bahnbetriebs fördern. In der Transition von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft steckt viel Potential.
Die SBB will die Kreislauffähigkeit eines Produkts oder einer Leistung in ihre Beschaffungs- und Investitionsentscheide miteinbeziehen und die Umsetzung auf folgende drei Arten erreichen:
Die Menge an neu abgebauten Primärrohstoffen soll auf ein Minimum reduziert werden. Dies wird dadurch erreicht, indem weniger Material eingesetzt wird und der Anteil an rezykliertem und/oder rasch erneuerbarem Material erhöht wird. Zudem soll auch darauf geachtet werden, dass das Material am Ende wieder rezyklierbar oder abbaubar ist.
Beispiel: Asphaltrecycling.
Die SBB ist eine Vorreiterin im Asphaltrecycling. Seit 2020 verwendet sie für Perrons Recyclingasphalt (60 Prozent Anteil in unterer Tragschicht, 40 Prozent Anteil in sichtbarer Deckschicht). Gegenüber einem Perron aus Frischasphalt kann die SBB so die Umweltbelastung um einen Viertel senken.
Beispiel: Kreislauffähiger Neubau der Bahntechnikgebäude.
Die Standard-Bahntechnikgebäude der SBB werden in Zukunft aus Holzelementen modular gebaut. Die Fassade wird aus vorgehängten Holzelementen bestehen und optional aus Photovoltaik-Modulen. Auch der Dachbereich steht für eine Photovoltaik-Anlage zur Verfügung. Diese Art von Gebäuden erhitzen sich weniger stark als herkömmliche Gebäude aus Beton. Folglich müssen die elektronischen Anlagen im Gebäude weniger gekühlt werden, was den Energiekonsum reduziert. Am Ende der Lebensdauer kann das Gebäude materialgetrennt in seine Einzelteile zerlegt werden, damit die Kriterien der Kreislauffähigkeit eingehalten werden.
SBB-Anlagen sollen länger und intensiver genutzt werden. Diese Effizienzsteigerung führt dazu, dass weniger Material und Produkte für dieselbe Leistung eingesetzt werden. Dadurch werden Material, Energie und Kosten eingespart.
Beispiel: Sanierung Zugwagons.
Die Sanierung der Zugwagen Typ EW IV umfasst den Schutz der Wagenkasten und Böden vor Korrosionsschäden sowie die Aufwertung des Fahrgastraums. Der Einsatz im SBB-Fernverkehr ist bis in die 2030er-Jahre vorgesehen und hält die bereits seit langer Zeit genutzten Wagen so noch länger im Kreislauf.
Beispiel: Werkstadt Zürich.
Das Areal der SBB Werkstätten in Zürich Altstetten befindet sich in Transformation. Unter dem Namen «Werkstadt Zürich» wandelt es sich in den nächsten Jahren zu einem Ort der urbanen Produktion. Kreislaufwirtschaft ist dabei zentral: Die bestehende, denkmalgeschützte Bausubstanz wird erhalten, Bauteile werden wiederverwendet und nachhaltige Baustoffe wie Holz berücksichtigt. So wurden als Tragkonstruktion in der Halle Q beispielsweise alte Fahrleitungsmasten verwendet und für die Liftverkleidung die Aluplatten von ausrangierten SBB-Lichtstelen umgenutzt. Mit der sorgsamen Entwicklung wird ein entscheidender Beitrag zur Energiebilanz des Projektes und der geringstmöglichen CO2-Emission für das gesamte Areal geleistet.
Am Ende der Nutzungsdauer von Produkten sollen die Materialien möglichst in Kreisläufen gehalten werden, was Abfälle und die Nachfrage nach Primärrohstoffen reduziert.
Beispiel: Schotter wiederverwenden.
Jährlich erneuert die SBB etwa 200 km Fahrbahn und damit zirka 600 000 Tonnen Gleisschotter, den sie bisher grösstenteils durch Neuschotter ersetzt.
Aufgrund von raumplanerischen Vorgaben und dem Naturschutz wird es zunehmend schwierig, neue Abbaugebiete für Schotter in der Schweiz zu erschliessen. Es ist also wichtig, den Schotter im Kreislauf zu behalten und wiederzuverwenden.
Die Aufbereitung des Gleisschotters ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll: das Wiederverwenden führt zu Kosteneinsparungen.
Für die Vorschotterung soll ab 2024 so weit wie möglich nur aufgearbeiteter Schotter eingesetzt werden. Die Kreislaufquote des Schotters wird bis 2030 kontinuierlich auf 50 Prozent erhöht.
Beispiel: Bahntechnik-Material aufarbeiten.
Die SBB verfügt - nebst vielen anderen Materialien - über 130 000 Fahrleitungsmasten. Bisher hat sie in die Jahre gekommene Fahrleitungsmasten grösstenteils ins Recycling abgegeben. Neu sollen diese aufgearbeitet werden. Die Aufarbeitung verursacht eine rund 80 Prozent geringere Umweltauswirkung, eine 80 Prozent geringerer CO2-Bilanz und eine 23 Prozent bessere Wirtschaftlichkeit als die bisherige Recyclingvariante im Stahlwerk. Heute werden bereits 65 Artikel aufgearbeitet und die Quantität soll bis Ende 2025 auf 230 kleinteilige sowie zirka 150 grossteilige Fahrleitungsartikel ausgeweitet werden.
Im Projekt «Krelawi» (Kreislaufwirtschaft) wird aktuell geprüft, welche weiteren Bahntechnikmaterialien wiederverwendet werden können.